Die Folgen von Corona werden uns noch lange beschäftigen.

Was müssen wir tun?

Wie in jeder Krise ist das Leid auch bei Corona höchst ungleich verteilt: Wer bisher schon privilegiert war, ist es weiterhin, wer schon bisher knapp durchmusste, der muss noch knapper leben. Bei uns sind dies Menschen mit schlecht bezahlten Teilzeitjobs oder mit Arbeit auf Abruf, kleine Gewerbetreibende, Künstler*innen, Sans-Papiers, Sex-Arbeiter*innen usw. Weltweit sind dies Milliarden von Menschen, die in Armut leben oder auf der Flucht sind. Bildlich konnten wir in den Medienbeiträgen «miterleben», wie die Coronakrise vielerorts für die Leute lebensbedrohlich ist. Ein Teil verlor den Job und hat kein Geld mehr, um sich und die Familien zu ernähren. Ein anderer Teil geht weiterhin ohne Gesundheitsschutz arbeiten, um das Nötigste zu verdienen, und setzt sich so der Gefahr des Virus aus.

Obwohl in der Schweiz seit Jahrzehnten die Steuern für gut Situierte und Unternehmen regelmässig gesenkt wurden, ertönen schon jetzt wieder Rufe nach weiteren Steuergeschenken und neuen Sparpaketen, mit der Behauptung, die Schulden würden sonst unsere Nachkommen begleichen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass es gerade umgekehrt ist: wenn wir jetzt nicht in eine soziale, gerechte und umweltfreundliche Gesellschaft investieren, wenn wir jetzt auf Kosten der Benachteiligten, der Bildung und des Klimaschutzes sparen, bürden wir unseren Nachkommen immer grössere Lasten auf.

Zur Bewältigung der Krise in der Schweiz braucht es auf nationaler und kantonaler Ebene umfassende Massnahmenpakete. Auch die Stadt Bern ist gefordert.

Als Bildungs- und Sozialdirektorin habe ich mir für die nächsten Monate folgende Schwerpunkte gesetzt:

  • Die Lernbegleitung für Schülerinnen und Schüler, welche auch nach der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts auf zusätzliche Unterstützung angewiesen sind, wird fortgesetzt. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit, denn die schulische Laufbahn und die Berufswahl der Kinder darf nicht wegen Corona in Schieflage geraten.
  • Die Prognosen gehen von einem grossen Mangel an Lehrstellen aus. Ein Einbruch wäre verheerend, weil zwei Drittel aller Jugendlichen in der Schweiz eine Berufslehre absolvieren. Daher muss auch die Stadt prüfen, ob sie selber zusätzliche Lehrstellen anbietet und sich allenfalls unterstützend einbringen kann, wenn jungen Menschen ein Lehrabbruch droht, weil ihr Arbeitgeber aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Lehrstelle streichen muss.
  • Vielen jungen Erwachsenen droht, dass sie nach dem Ende ihrer Ausbildung arbeitslos werden. Auch hier ist das Engagement der öffentlichen Hand dringend, damit diese jungen Berufsleute den Anschluss an den Arbeitsmarkt nicht verpassen.
  • Ein weiteres Augenmerk richte ich auf die Menschen, welche in Armut leben oder von Armut bedroht sind. Dazu gehören Menschen aus Niedriglohnbereichen, die ihre Arbeit verloren haben, Geflüchtete, die noch keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben oder Sans-Papiers, die mittel- und rechtlos der Krise und deren Folgen ausgeliefert sind. Im Austausch mit den verschiedenen Organisationen, die sich neben der Stadt um diese Menschen kümmern und in der Krise Grossartiges geleistet haben, werden wir überlegen, wie wir diese Leute zielgerichtet weiter unterstützen können. Wichtig ist mir eine unbürokratische und niederschwellige Hilfe, denn was nützen die besten Programme, wenn die Leute aus Angst oder Scham nicht wagen, Hilfe zu beanspruchen?
  • Bund und Kantone haben verschiedene Pakete beschlossen zur Stützung der Unternehmen. Gut ist, dass auch KMU und Selbständig Erwerbende finanzielle Hilfe bekommen. Die Vergabe von staatlichen Geldern muss aber an Bedingungen geknüpft sein. Ich werde mich bei städtischen Programmen dafür einsetzen, dass klare Kriterien erfüllt sein müssen: Erhalt der Arbeitsplätze und geregelte Arbeitsbedingungen, keine Arbeit auf Abruf, Erhalt der Lehrstellen, keine Dividendenzahlungen und besondere Entschädigungen fürs Kader. Als Grüne kann ich mir vorstellen, dass ein Bonus ausbezahlt wird an Betriebe, die Schritte in Richtung einer klimagerechten Wirtschaft entwickeln wollen.
  • Investitionen sind ein erprobtes Mittel, um in einer Wirtschaftskrise zu bestehen. Hier hat die Stadt zum Glück eine lange Liste mit Bauprojekten. Viele sind mit meiner Direktion verbunden. Wir brauchen mehr Schulraum, weil die Schüler*innen-Zahlen in der Stadt Bern immer noch stark wachsen und unsere Sportanlagen müssen erneuert und erweitert werden. Auch wenn die finanzielle Situation der Stadt Bern angespannt ist und wir Prioritäten setzen müssen, steht für mich eines fest: Wir dürfen nicht auf die Massnahmen im Klimaschutz verzichten und keinesfalls mit einer kurzsichtigen Sparpolitik die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder aufs Spiel setzen.

Wer soll das alles bezahlen? Dazu hat sich die Expertengruppe des Bundesrats eben geäussert und hält zusammenfassend zum Thema Staatsschulden fest: «Staatsausgaben, die während der Krise wirtschaftliche Härten abwenden, lebensfähige Wirtschaftsstrukturen erhalten und dazu beitragen, die Erholung nach der Krise zu beschleunigen, sind wichtig und sollten nicht übermässig durch die Sorge um die künftige Staatsverschuldung eingeschränkt werden» (David Dorn, Mitglied der Expertengruppe der Swiss National Covid-19 Science Task Force). Der Gemeinderat hat in seinen aktuell gültigen Finanzgrundsätzen festgehalten: „Der Bruttoverschuldungsanteil darf in allen Planjahren des IAFP (Integrierter Aufgaben- und Finanzplan) nicht über 140 % steigen». Angesichts der Steuerausfälle bei den juristischen Personen im Jahr 2019 und den kommenden Mehrausgaben zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise muss in der Stadt sachlich und nicht ideologisch über eine zusätzliche Verschuldung diskutiert werden.